Der Pool

Es war einmal ein Pool, gelegen sehr nördlich und irgendwo in weiter Ferne von jeder Bar, entsprechend kalt im Sommer. Lange Tage erwärmten das Wasser nicht. Touristen kamen und badeten nicht. Anfangs noch probierten einige Füße zaghaft die Temperatur, Beine und Bäuche folgten, Bahnen wurden wacker geschwommen im Sinn der Ertüchtigung, das Ganze gefeiert als Fest der Erfrischung für Körper und Geist. Kinder warfen Bälle, Jauchzen und Kreischen folgten; halb erweckte, halb verkühlte kleine Körper, die bald ins Trockene flohen. Gemeinhin bevorzugte man die Wiese neben dem Wasser, Badeanzug, Sonnenbrille, Zeitung oder Pommes.

 

Beständig jedoch nahm der Mut ab. Bälle flogen kaum mehr. Stumm lag das Wasser immer häufiger da, glatt und unbelebt. Niemand schwamm. Der Sommer hatte seine kürzeste Nacht noch nicht gesehen – statt sich jedoch fortwährend zu erwärmen, statt in der Milde langer Tage und kräftiger Sonnenstrahlen empfänglicher zu werden für Schwimmende und Spiel, kühlte das Wasser langsam weiter ab.

 

Man fragte nach Gründen. Man maß Temperaturen. Man prüfte Zahlen und wertete sie aus. Man verglich kopfschüttelnd und sprach mit Expert:innen. Man verzagte. Es dauerte nicht lange, bis mitten im Juli ein breitschultriger Stammgast mit Rettungsring herausgefischt werden musste, nach weniger als einer halben Bahn, Freistil, Atemnot, Glieder taub, Lippen blau. Offene Münder am Beckenrand. Eine Rettungsdecke zum Wärmen bibbernder Muskeln. Mayo schmolz. Ein heißer Tag.

 

Ein oder Zwei Wochen später hatte sich fast unbemerkt der wenigen Badegäste, von denen keiner sich mehr zum Schwimmen bereit erklären mochte, die erste dünne Eisschicht gebildet. Ein kleiner Junge bemerkte sie zuerst. “Eis!” sagte er und zeigte darauf mit der Unbekümmertheit eines Fünfjährigen. “Nach dem Mittagessen,” entgegnete seine Mutter, den Blick nicht vom Display abwendend.

 

Einige Tage später hatte sich das Phänomen gemeinhin herumgesprochen. Man kam nun weniger der schwindenden Hoffnung auf Abkühlung halber, sondern mehr aus Sensationslust. Man thematisierte und gestikulierte, mit Bier und Spritz, die ein oder andere ausländische Reporterin mit Sonnenhut und Schweißperlen beobachtend, manchmal donnerte ein Helikopter. Kinder spielten Fußball auf der Wiese.

 

Die wachsende Eisdecke wurde fachkundig vermessen. Unter den Augen des Bürgermeisters bohrte man ein Loch, um ihre Stärke zu prüfen. Als der Meterstab darin versank, war kaum ein Laut zu vernehmen, bis auf gelegentliches Klatschen von Händen auf nackter Haut, Bremsen oder Mücken erledigend wahrscheinlich. Starres Eis glitzerte in der Sommersonne. Ende Januar Anfang August, textillos. Libellen landeten lautlos auf gefrorener Oberfläche.

 

“Es hält!” brüllte schließlich durch die Stille der beauftragte Eisdickemesser, eigentlich Rettungschimmer von Beruf. Jubel erklang. Irgendjemand drehte Musik laut. Man nahm den Spritz und das Bier mit auf das Eis, wagte barfuß ein paar Schritte, fachsimpelte ahnungslos, ein oder zwei Fotos machend, die ehemals wacker badenden Füße froren schneller als vermutet, und so zog man sich bald wieder zurück auf die Wiese, und alles war wie immer.