Auf den Schultern der Kinder

Abgesagte Laternenumzüge in Hamburg, Wechselunterricht in Berlin, Reduzierungen der Gruppengrößen in Kitas in München, Karneval mit Hunderttausenden auf den Straßen und in den Kneipen von Köln – hier den Fehler zu finden ist eigentlich nicht besonders schwer. Und dennoch scheint es, dass man blind ist oder sein möchte bei den politisch Verantwortlichen angesichts der Ungleichheit, mit der noch immer, über ein Jahr nach Pandemiebeginn, Kinder und Jugendliche im Verhältnis zu Erwachsenen behandelt werden.

 

Wir nehmen Kindern kulturelle Angebote, beschränken sie in ihrer Bewegungsfreiheit, trennen sie von Sozialkontakten, verkleinern ihren Radius und erschweren ihren Alltag, während all das bei Erwachsenen möglich ist, schlimmer noch – bis zum Äußersten ausgereizt werden kann wie zum 11.11. in Köln. Dass zeitgleich Kindern ihre Freiheit genommen wird und Erwachsene sich so frei fühlen können wie nie seit Beginn der Pandemie ist diskriminierend, unsolidarisch und eine komplette Verfehlung des Ziels der Pandemiebekämpfung.

 

Wir wissen, dass es Erwachsene sind, die Kinder schützen müssen, nicht anders herum. Wir wissen, dass kleine Kinder keine Pandemietreiber sind. Wir wissen, dass Kinder psychisch häufiger leiden als vor der Pandemie, Verhaltensauffälligkeiten nehmen zu. Und dennoch entziehen wir ihnen wieder und weiter all die Dinge, die sie für eine gesunde Entwicklung brauchen. Dinge, auf die wir selbst nicht zum Verzicht bereit sind. Wir, die Verantwortlichen. 

 

Noch immer tragen wir auf den Schultern derer, die wir beschützen müssen, unser politisches und soziales Versagen aus. Was ist das für eine Generation, die wir da heranziehen? Was sind das für Werte, die wir ihr vermitteln?

 

Warum müssen wir Eltern einschränkende Maßnahmen für unsere tragen, während diese in vergleichbarer Form nicht auch für Erwachsene gelten? Es ist falsch und unwürdig, dass Schutzbefohlene zur Verantwortung gezogen werden, während mündige Impfunwillige Schutz erleben – durch Geimpfte.

 

Als Eltern haben wir Angst vor dem Winter. Wir sind weit über uns hinaus gewachsen im letzten. Homeschooling, Kitaschließungen – die Aussicht darauf, dass uns das wieder bevorstehen kann, während wir sehenden Auges und dennoch blind in die Katastrophe laufen, ist schwer auszuhalten. Für uns Eltern ebenso wie für unsere Kinder.